Buchtipp vom

François Chateaubriand

Im Zusammenfluss der Ströme: Chateaubriands Erinnerungen an eine Kindheit in der Bretagne

Chateaubriand Bretagne

„Ich habe mich, wie im Zusammenfluss zweier Ströme, zwischen zwei Zeitaltern wiedergefunden. Ich habe mich in die aufgewühlten Fluten gestürzt und mich ungern vom alten Ufer, wo ich geboren bin, entfernt, bin jedoch voller Hoffnung zum unbekannten Ufer geschwommen, wo die neuen Generationen ihre Anker lichten.“

Zwischen diesen „zwei Zeitaltern“ - dem alten, in dem er geboren wurde, und dem neuen, der Französischen Revolution, spielt sich das bewegte Leben des verarmten Adligen aus der Bretagne ab. Er war mit den Mächtigen der Zeit bekannt: mit Ludwig XVI. und George Washington. Er war einer der wichtigsten Diplomaten Napoleons und Minister unter Karl X.; den Sitz in der Académie française nahm er, ein sehr eigenwilliger Kopf, nicht ein, weil Napoleon seine Antrittsrede gekürzt hatte.

Über dieses bewegte Leben erzählt François-René de Chateaubriand (1768 - 1848) in seinen Erinnerungen von jenseits des Grabes - ein Stück großartiger Memoirenliteratur, wie wir es zum Beispiel von Rousseau kennen.

Chateaubriand, an dessen 250. Geburtstag wir uns in diesem Jahr erinnern, verfasste seine Erinnerungen in den Jahren 1811 bis 1841 - einen zweitausend Seiten umfassender Lebensbericht, in dem er über das Leben und die Zeiten reflektiert, in dem wir großartige Porträts von Zeitgenossen lesen können, der herrliche Naturschilderungen enthält, vor allem aus der Bretagne.

In der Bretagne, in Saint-Malo, ist der zeitlebens heimatliebende Bretone Chateaubriand geboren. Hier hat er seine Kindheit verbracht und im Wasserschloss Combourg seine Jugend. Dieser Zeit ist jetzt ein kleiner, feiner Band gewidmet unter dem Titel Kindheit in der Bretagne, also der Anfang seiner Memoiren Erinnerungen von jenseits des Grabes. Karl-Heinz Ott hat eine sehr gut lesbare Übersetzung angefertigt. Und wir, die Leser, haben so das Vergnügen, in diesen Kindheits- und Jugenderinnerungen einen teilweise unbekannten Autor, dafür aber einen umso großartigeren Schriftsteller kennen zu lernen.

„Ich bin, um die Schauplätze der Natur zu bewundern, recht weit gereist; ich hätte mich mit denen begnügen können, die mein Geburtsland mir bot.“ Das jüngste von zehn Kindern hat früh einen Blick für die Schönheit der Landschaft und widmet ihr in in den Erinnerungen wunderbaren Passagen. Er erzählt aber auch ausführlich - ohne allerdings zuviel von sich selbst preiszugeben - vom Leben mit seiner Mutter und seiner Schwester Lucille, beide stehen ihm sehr nahe. Das Verhältnis zu seinem Vater dagegen ist weitaus distanzierter.

Er erzählt von Freunden und Freundschaften, die „der Bengel aus der Stadt“, wie François-René gern genannt wird, gewinnt (und wieder verliert). Seine Schulzeit erlebt er in Rennes und Dinan und in Dol. Hier erwirbt er seine humanistische Bildung. Sein Vater hätte den Jungen allerdings lieber als Marinesoldat gesehen. Später wird er dennoch und wie es sich gehört Offizier, wird dem König vorgestellt, lebt in Paris, wo er die Revolution erlebt und - geht nach Amerika.

Soweit die „Lehr- und Wanderjahre“ des jungen Chateaubriand. Das aber macht bereits Lust auf mehr. Denn es sind nicht nur die geschilderten Erlebnisse, Betrachtungen und Begegnungen - es ist auch der Dichter, der fasziniert, „dessen Sprache eine lichtdurchflutete Schönheit besitzt und in dessen Leben sich Weltgeschichte spiegelt“, so Karl-Heinz Ott in seinem lesenswerten Nachwort. Und noch ein Zitat von Ott zu den Mémoires: „Bereits mit der Schilderung seiner Geburt führt Chateaubriand vor, wie für ihn kosmische Mächte und Lebensschicksale zeichenhaft ineinanderspielen.“

„Ich habe“, so schreibt François-René de Chateaubriand im Vorwort, „die Meere der Alten und der Neuen Welt überquert und meinen Fuß auf die Enden der vier Weltteile gesetzt“. Verwurzelt aber blieb er - wie es besonders eindrücklich aus den Kindheits- und Jugenderinnerungen hervorgeht - in der Bretagne, der er in den Mémoires die schönsten Zeilen widmet. An einer Stelle heißt es gar: „Die Wälder von Combourg haben mich zu dem gemacht, was ich bin“ - ein großartiger Zeitzeuge und ein großer Dichter.

© Günter Nawe

François-René de Chateaubriand, Kindheit in der Bretagne. Hoffmann und Campe, 295 S., 20 €

Chateaubriand Bretagne

zurück