Buchtipp vom

In der Brüderlichkeit der Genies: Der Briefwechsel zwischen Émile Zola und Paul Cézanne

Cezanne Zola

Aix-en-Provence in den Jahren 1850/60: Sie verbrachten ihre Schulzeit und Jugend zusammen, schauten den Mädchen nach, sie malten gemeinsam, durchstreiften die Gegend, schmiedeten kühne Zukunftspläne. Eine herzliche Freundschaft verband Émile Zola (1840-1902) und Paul Cézanne (1839-1906). Zusammen mit Jean-Baptistin Baille galten sie als die „Unzertrennlichen". Eine Freundschaft, die über die Jahre hielt – auch wenn es zwischendurch und am Ende einige Irritationen gab.

Von dieser Freundschaft - einer Männerfreundschaft und einer Künstlerfreundschaft – handelt das sehr schöne und hochinteressante Buch „Émile Zola – Paul Cézanne", das Dino Heicker im Verlag parthasberlin herausgegeben hat; eine ergänzte und verbesserte Ausgabe der gesammelten Briefe von und an Paul Cézanne. Hervorragend kommentiert und mit einem sehr informativen Nachwort versehen kann es als eine Art Doppelbiographie in Briefen gelesen werden. Und das mit Freude und Gewinn.

Die Zeit jugendlicher Unbeschwertheit, des glückhaften Zusammenseins der Freunde hatte ein Ende, als Émile Zola, der angehende Autor, 1858 nach Paris ging. Der künftige Maler Paul Cézanne blieb in der Provence. Bis auf wenige Treffen in den folgenden Jahren dokumentierte sich diese Freundschaft also in Briefen.

Der erste Brief von Paul Cézanne an Émile Zola am 9. April 1858: „Guten Tag, lieber Zola, / Endlich ergreife ich die Feder... Seit dem du Aix verlassen hast, mein Lieber, betrübt mich ein düsterer Kummer; ich lüge wahrlich nicht. Ich erkenne mich selbst nicht mehr, ich bin antriebslos, dumm und träge." Und in etwas ungelenken Versen erinnert er an die Gemeinsamkeiten und Erlebnisse. Am 14. April 1858 schreibt er ihm ein Gedicht über eine „Eroberung" mit einer frechen Schlussstrophe – und unterschreibt mit dem Gruß: „Salve, carissime Zola".

Dieser „carissime Zola" fühlt sich anfangs in Paris „wie ein aus dem Paradies Vertriebener". Der Einstieg in die Literatur, Zolas „Leidenschaft" ist schwierig. Sie allerdings aufzugeben, kommt für ihn nicht infrage, schreibt er am 6. Januar 1860 an den zurückgebliebenen Freund.

Und am 25. März 1860 schreibt er an Paul Cézanne: „Ich hatte neulich einen Traum. Ich hatte ein schönes Buch geschrieben, ein herrliches Buch, das du mit schönen, herrlichen Zeichnungen versehen hattest. Unserer beider Namen leuchteten auf dem Titelblatt in Goldbuchstaben vereint, und in der Brüderlichkeit der Genies gingen wir unzertrennlich in die Nachwelt ein. Unglücklicherweise ist da bis jetzt nur ein Traum." Ein Traum? Ja. Dennoch sollte jeder auf seine Weise in die Nachwelt eingehen.

Bald aber verläuft sein Leben in weitestgehend geordneten Bahnen. Zola arbeitet als Journalist, heiratet und beginnt zu schreiben. Ehrgeizige Projekte wie die „Rougon-Marcquart", ein phänomenaler Romanzyklus, eine „Enzyklopädie eines Zeitalters" beschäftigen ihn – und machen ihn zum Erfolgsautor.

Weniger einfach war das Leben des Malers, des Künstlers Paul Cézanne, der eigentlich Jurist werden sollte, sich aber zur Malerei berufen fühlte. Zwischen der Provence und Paris pendelnd suchte er seinen Stil, versucht er, seine Vorstellungen, Sehnsüchte und Ansprüche in seinen Bildern umzusetzen. Lange Zeit sehr erfolglos. Dazu die permanenten Auseinandersetzungen mit seinem Vater, der ihm immer wieder einmal den Geldhahn zudrehen will. Erst im Alter kommt er zur Ruhe. Und erst nach seinem Tod wird er berühmt werden.

Die Briefe. Sie sind anfangs nette Plaudereien, vor allem über die Liebe, als deren Kronzeugen sie den Dichter Ronsard nennen, werden aber zunehmend ernster. Sie schreiben über Kunst und Literatur und über ihre Nöte. Und die sind sehr unterschiedlich. Während Zola sich ganz auf seine Kunst konzentriert, hat Cézanne lange Zeit vor allem sehr profane Probleme. Chronischer Geldmangel drückt ihn, weil wenig erfolgreich. Und eine Frau und ein Kind sind zu ernähren. Hier muss Zola helfen – und er tut es. Wenn auch nicht ohne den Freund immer zu mahnen und zu ermahnen. So klingen seine Briefe oft eher nach Lebenshilfe als nach Kunstdebatte.

Cézannes Briefe waren meist sehr herzlich. Die Briefe Zolas waren es nicht weniger, aber bei weitem nüchterner. Künftig sollte es in diesem Briefwechsel vor allem um „Kunst" gehen. Zola, der eine starke Affinität zur Malerei hatte, wusste sich kompetent mit Cézanne darüber auseinanderzusetzen. Und Cézanne reagierte sehr positiv auf die Werke, die ihm Zola immer und immer wieder als erstem zuschickte.

Eitel Freude war die Korrespondenz allerdings zunehmend weniger. Es gab zeitlich Lücken, zeitweise schlief sie ganz ein. Wahrscheinlich waren doch die Lebenswege der Künstler zu unterschiedlich. Vor allem zwischen 1871 und 1877. Es war eine Zeit, wie Dino Heicker in seinem sehr feinen Nachwort schreibt, geprägt vom „immer größer werdenden Ruhm des Schriftstellers Zola und den stets wiederkehrenden Enttäuschungen des Malers Cézanne." Dennoch blieben sie ein Leben lang miteinander verbunden.

Zu einer Art „Bruch" allerdings kam es, als Émile Zola seinen Roman „Das Werk" veröffentlichte. Ein Künstlerroman mit vielen (auto-)biographischen Details, dessen Protagonist ein gescheiterter Künstler ist. Eine Art „Schlüsselroman"? Cézanne sah sich jedenfalls in der Figur des Claude Lantier dar- oder gar bloßgestellt. Er fühlte sich als ein Versager beschrieben, der sich, um es auf einen einfachen Nenner zu bringen, wegen eines schlechten Bildes aufhängt. Und so ist „Das Werk" auch ein Buch, das als Abrechnung Zolas mit der abstrakt empfundenen Kunst seines Freundes, die in der Auseinandersetzung zwischen dem Dichter Sandoz (Zola) und Cézanne (Lantier) gelesen werden kann. Später sollte der so Porträtierte gesagt haben: „Es war ein Schlag für mich... Es ist ein schlechtes und vollkommen falsches Buch".

Das Ende einer Männer- und Künstlerfreundschaft. Wir lesen davon heute mit Interesse, wie sich Kunst und Leben bedingen und welche Folgen sich daraus ergeben können. Exemplarisch gezeigt durch diese Korrespondenz zweier großer Künstler. So sind diese über hundert Briefe ein spannender Beitrag zur Biographie von Émile Zola und Paul Cézanne – und ein interessanter Beitrag zu Literatur- und Kunstgeschichte.

© Günter Nawe

Cézanne - Zola: Porträt einer Männerfreundschaft. parthasberlin, 280 S., 24,80 Euro

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