Buchtipp vom

Robert Byron, "Europa 1925"

Mit dem Auto nach Athen – eine Reise mit Hindernissen
Byron Europa

Lord Byron (1788-1824) – was verbindet sich nicht alles mit diesem Namen, der zur Literaturgeschichte schlechthin gehört. Eines seiner berühmtesten Werke trägt den Titel „Child Harolds Pilgerfahrt". Und legendär geworden ist dieser Byron, englischer Schriftsteller und griechischer Freiheitskämpfer, durch den Tod in Messolonghi (Griechenland) – im Jahre 1824 mit 36 Jahren.

Nur 36 Jahre ist auch sein Nachfahre Robert Byron (1905-1941), ebenfalls Autor und berühmter Reiseschriftsteller, geworden. Sein bisher bekanntestes Werk ist „The Road of Oxiana" (dt. „Der Weg nach Oxiana"). Gestorben ist er auf einem Schiff, das von einem deutschen U-Boot beschossen wurde. Auch er reiste 1925 nach Griechenland, nach Athen. Damit erschöpfen sich allerdings schon die Gemeinsamkeiten der beiden Byrons.

Robert Byron reiste mit seinen Freunden David und Simon. Und sie reisten – Mitglieder der besseren britischen Gesellschaft und durchweg Snobs– in einem Tourenwagen, liebevoll „Diana" genannt, und mit wohlgefüllter Reisekasse. „In der schwülen Freitagnacht des 1. August 1925 gegen halb elf..." ging es los.

Es war keine Bildungsreise im klassischen Sinne, die die drei Freunde antraten, eher eine Abenteuerreise durch ein Europa, das gerade im Begriff war, sich vom Ersten Weltkrieg etwas zu erholen und sich schon wieder auf dem Weg in die nächste Katastrophe befand. Das Trio wollte „Europa als Ganzes" erleben, das für sie bisher„eine unbekannte Größe" war.

Die Eindrücke, die Robert Byron in seinem Reisebericht „Europa 1925" schilderte, sind äußerst spannend, hoch interessant und sehr unterhaltsam zu lesen. Abenteuerliche Erlebnisse werden geschildert. Da ist von geplatzten Reifen die Rede und von Motorschäden, von unwegsamen Touren, „Matratzen aus Stein, Betten aus Blech", von Ärger in Nobelhotels und Sternenrestaurants und „unsittlichen Angeboten", die sie allerdings großmütig ablehnten.

Und so ging die Reise von Oxford über Hamburg, wo man in einem – natürlich! – Grandhotel absteigt, das man als „modern und hässlich" empfand, nach Berlin, wo sich die Reisenden sehr freundlich empfangen und behandelt sahen. Am schönsten aber war es – zumindest landschaftlich – in Bayern. Doch interessiert sich der Reiseberichterstatter mehr für die Wandervogelbewegung und eine Art von deutschem Militarismus. In Salzburg verpassten die Globetrotter die Festspiele und das Mozart-Haus und mussten stattdessen mit Biergärten vorlieb nehmen: „Ich setzte mich auf den Balkon und rächte mich an Salzburg mit einer unvorteilhaften Zeichnung des Bahnhofs und eines Fabrikschornsteins." Zu bewundern übrigens auf einer der vielen Bleistiftskizzen aus Byrons Nachlass, mit denen dieser Reisebericht illustriert ist.

Probleme gab es mit dem Zoll am Brenner beim Übergang nach Italien. Hier dann, in Bologna, in Florenz, Verona und Rom zeigte sich Byron als exzellenter Kenner der Kunst von Michelangelo und Raffael, von Baustilen und der Kunstgeschichte überhaupt. Gar nicht gefiel ihm der Petersdom. Er konnte nicht verstehen dass ein „so guter Künstler wie Bernini" eine „solche Fähigkeit zu schlechter Kunst besaß:"

Bei alldem übersah Robert Byron nicht das politische Klima dieses Landes, das nicht zuletzt geprägt war von den vielen faschistischen Schwarzhemden, die er allerdings mit Hohn und Spott überzog. „Der Faschismus ist tatsächlich eine Art Boy-Scout-Regime, statt Knüppeln gibt es hier allerdings Revolver. Italien ist nicht so sehr Opfer einer Diktatur, sondern einer Ochlokratie, der Herrschaft eines bewaffneten Pöbels, eines unreifen zumal." Oder: „Die Römer waren schon wieder vulgär, bevor der Rest Europas überhaupt kultiviert war."

Byron übersah aber auch nicht in Rom und überhaupt die soziale Situation des Landes, die Armut in den Elendsvierteln. Gleichzeitig jedoch genoss er, genossen seine Freunde die Dolce-far-niente, neuen Bekanntschaften, Ausflüge, bei denen einmal mehr „Diana" Probleme machte. Man dinierte und soupierte und schlug sich die eine und andere Nacht um die Ohren.

Das alles schildert Robert Byron auf unnachahmliche Weise, teils ernsthaft, teils sehr humorvoll, und nicht ohne Selbstironie. Er brilliert mit hervorragenden Kenntnissen von Geschichte und Architektur, von Kunst und Literatur und beweist sich als hervorragender Reiseschriftsteller. Und das Buch – im Übrigen außerordentlich schön ediert - gehört in die erste Reihe großartiger Reiseberichte

Bleibt nun noch das eigentliche Ziel dieser Grand Tour: Griechenland. Die Überfahrt gestaltet sich schwierig. Dafür empfingen ihn die Griechen („unbedeutend und ein wenig schmutzig") äußerst respektvoll. Denn alle Griechen empfanden „persönlichen Stolz... eine Person kennenzulernen, die meinen Namen trägt". So erlebte und schilderte er mit viel Verve und großer Ernsthaftigkeit, aber auch mit Ironie und leisem Spott seine Erlebnisse im „klassischen" Griechenland und vorzugsweise in Athen. Davon blieb auch der Hype, den die Griechen um seinen Vorfahren Lord Byron machten, nicht unerwähnt. Die griechische Geschichte der letzten Jahre ist ihm ebenso wichtig wie die Geschichte der Antike. Und manchmal gleichen sich die Bilder, betrachtet man die aktuelle Zeitgeschichte und das Europa von 2016.

Am Ende, wenige Monate nach der Rückkehr nach England resümiert Robert Byron: „Ich beugte mich vor, wärmte meine Hände an den Holzscheiten und spürte, wie sich ein neues Bewusstsein rührte: das Bewusstsein, nicht nur Engländer zu sein, sondern Europäer".

© Günter Nawe

Robert Byron, Europa 1925. Die Andere Bibliothek, 357 S., 42,- €

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