Buchtipp vom

Martin Mosebach

Taube und Wildente

Leser des erzählerischen Werks von Martin Mosebach mögen seinen heiter-gelassenen Erzählton schätzen, den reichen Sprachschatz und die Freude am Ästhetischen, vermittelt vor allem von bildender Kunst. So auch im neuen Roman, der ein Kunstwerk im Titel trägt: das Gemälde „Taube und Wildente“ von Otto Scholderer, ein eher akademisches Stillleben vom Ende des 19. Jahrhunderts. Als Erbstück dekoriert es lange unbemerkt ein Landhaus in der Provence, das sehr unterschiedliche Charaktere bevölkern: die Besitzerin Marjorie mit Tochter aus erster Ehe, ihr Ehemann Ruprecht, die ebenfalls „geerbten“ Hausangestellten (in eher prekären Verhältnissen), dazu gelegentliche Gäste.

 

Ein dankbares Tableau für die Beschreibungskunst des Autors: atmosphärisch und lebendig schildert er ein Sommerleben, das ganz eigenen (ererbten) Ritualen folgt. Herrlich die Sprachspiele: der schroffe Ton der Hausherrin und ihres zurückhaltend agierenden, eher nachdenklichen Mannes, eines Verleger und Essayisten. Zwei Verlagsmitarbeiter als Gäste, die eigene Interessen verfolgen, kommentieren die Szenerie. Zur Ordnung dieser beschaulichen Welt gehört sogar der Ehebruch im Gärtnerhaus. Die mediterrane Landschaft mit Fauna und Flora spielt eine eigene Rolle. Der einzige geographische Bezugspunkt ist Cezannes auratische Montagne Sainte-Victoire im Hintergrund.

 

Natürlich schlummern unter dieser Oberfläche einige Konflikte. Überraschend ist allerdings, wie explosiv sie sich entwickeln. Und wie das Gemälde ein treibendes Element der Katastrophe wird, die bis ins heimische Frankfurt am Main wirkt. Die Protagonisten bewahren bewundernswert Haltung, aber als Leser ahnt man doch eine existentielle Betroffenheit hinter der Geschichte. In einem Interview (SZ vom 13.10.22) hat Martin Mosebach vom Verlust des Gemäldes berichtet. „Taube und Wildente“ gab es wirklich, und einige Leser werden es als Bereicherung empfinden, dass die enthusiastischen Beschreibungen ein reales Objekt haben.

Zum Weiterlesen:
Martin Mosebach, "Du sollst dir ein Bild machen. Über alte und neue Meister" (Rowohlt Taschenbuch 2011, 232 S. €12)


(M. Kroczek)

Taube und Wildente
dtv, 336 S., 24,- Euro

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