Buchtipp vom

Über die Schönheit von Raupen und Schmetterlingen: Das faszinierende Leben der Maria Sibylla Merian

Beuys Merian

Wohl kein anderer, keine andere hat die Natur so prächtig gemalt und beschrieben wie Maria Sibylla Merian - eine außergewöhnliche Frau, Künstlerin und Forscherin, deren Biographie Barbara Beuys nicht zuletzt aus Anlass des 300. Todestages vorlegt.

Die Kölner Autorin Barbara Beuys, bekannt geworden durch zahlreiche Bücher, so über Sophie Scholl, über Paula Modersohn-Becker und über die finnische Malerin Helene Schjerfbeck, beweist mit der Biographie über Maria Sibylla Merian einmal mehr großes erzählerisches Vermögen und profunde Kenntnis. Kommt hinzu, dass der Biografin bei aller kritischer Distanz eine große Nähe zu Frau Merian zuzuschreiben ist.

Maria Sibylla Merian (1647 - 1717) war alles in einem: Künstlerin, Insektenforscherin, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die sich – wie man heute sagen würde - zu vermarkten wusste. Auch das für eine Frau in dieser Zeit erstaunlich - und bewundernswert. Kurz: Maria Sibylla Merian war eine selbstbewusste und selbstständige, ja emanzipierte Frau.

Aus einem sogenannten guten Hause, Tochter des berühmten Matthäus Merian, also künstlerisch vorbelastet, entdeckte Maria Sibylla Merian früh ihre Liebe zu Raupen und Schmetterlingen, deren Schönheit sie begeisterte. Joachim von Sandrart, Maler, Kupferstecher und Kunsthistoriker, beschreibt 1665 das Interessengebiet der Maria Sibylla Merian wie folgt: Sie konzentriere ihren großen Fleiß und ihren Geist…darauf, „besonderlich auch in den Excrementen der Würmlein, Fliegen, Mucken, Spinnen und dergleichen Natur der Thieren abzubilden, mit samt dem Veränderungen, wie selbe Anfangs seyn, und hernacher zu lebendigen Thieren werden, samt dern Kräutern, wovon sie ihre Nahrung haben….“.

Ein „Fachgebiet“, dem sie sich ausführlich widmete und in dem sie mit wissenschaftlicher Akribie forschend erfolgreich arbeitete. Sie wurde zur Expertin und ihr erstes „Raupenbuch“ („Der Raupen wunderbare Verwandlung, und sonderbare Blumennahrung“) war eine Pionierleistung erster Klasse. Beobachtungsgabe und unermüdlicher Forschergeist waren es, die sie in diesem Fachgebiet Bedeutendes leisten ließ. Und es war mehr: Es war ihre Liebe zur Natur, die sie zeichnerisch in Kunst verwandelte - eine reproduzierende Kunst, die sie von ihrem nicht minder berühmten Vater gelernt hatte.

Ihre Bücher fanden Freunde, nicht zuletzt dank ihrer Fähigkeit zur Beschreibung ihre Forschungsergebnisse von Pflanzen und Insekten. Weil dabei immer ihr Herz mitspielte. Als Beispiel die Beschreibung einer Pampelmuse: „Die große und herrliche Frucht wird in Surinam Pampelmuse genannt. Die Bäume wachsen so hoch wie Apfelbäume. Sie hängen sehr voll von Früchten, so daß die Zweige oft Gefahr laufen, wegen des Gewichtes der Früchte zu brechen… Hierauf befinden sich Raupen mit blauen Köpfen, deren Körper voller langer Haare ist, die so hart sind wie Eisendraht.“

Ihre Erkenntnisse hat sie auch künstlerisch umgesetzt. Ihre Stiche - sie war auch eine hervorragende Kupferstecherin - zählen bis heute zu den bedeutendsten und schönsten Naturbildern, zu den schönsten Blumen- und Insektenbildern der Barockzeit.

Über all dies schreibt Barbara Beuys in ihrer wunderbaren Biographie. Sie zeichnet nicht nur ein faszinierendes Lebensbild einer ebenso faszinierenden Frau, sondern gleichzeitig ein Bild der Gesellschaft, in der Maria Sibylla Merian gelebt, geforscht und gearbeitet hat. In einer Zeit, die von den reformatorischen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt war. Selbstbewusst hat sie sich als Frau in einer weitgehend männerdominierten Welt, die dennoch neue Spielräume für Frauen eröffnete, durchgesetzt.

Kursorisch der Lebenslauf. Kindheit und Jugend in Frankfurt/Main, dann Nürnberg, Heirat und Kinder, wieder nach Frankfurt, Eintritt in eine radikal religiöse Gemeinschaft in Holland, nach zwanzigjähriger Ehe Trennung von ihrem Mann, Umzug mit ihren Töchtern nach Amsterdam, Gründung des Merian-Studios. Und letztlich - im Alter von zweiundfünfzig Jahren - eine Forschungsreise in die tropische Inselwelt von Surinam. Sie war, sie wurde nun endgültig berühmt, nicht immer geliebt, aber anerkannt und gerühmt von Gottfried Wilhelm Leibniz.

Natürlich beschreibt Barbara Beuys sehr akribisch Lebenslauf und Lebenswelt der Maria Sibylla Merian. Doch der Autorin geht es um mehr. Sie versucht, sich mit weiblichem Blick der Gefühlswelt dieser Frau zu nähern, sie zu erkunden. Und das gelingt Barbara Beuys hervorragend.

Wenn es ein Geheimnis um das erfüllte Leben der Maria Sibylla Merian gegeben haben sollte - sie selbst hat es gelüftet. Im Vorwort zu ihrem surinamischen Insektenbuch schreibt sie, warum sie für dieses Buch die besten Kupferstecher und das beste Papier gewählt habe: „…damit ich sowohl den Kennern der Kunst als auch den Liebhabern der Insekten Vergnügen und Freude bereite, wie es auch mich freuen wird, wenn ich höre, dass ich meine Absicht erreicht und gleichzeitig Freude bereitet habe.“ Sie hat - ebenso wie uns Barbara Beuys mit dieser Biographie.

© Günter Nawe

Barbara Beuys, Maria Sibylla Merian - Künstlerin, Forscherin, Geschäftsfrau. Insel Verlag, 285 S., 18,95 €

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